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Kapital & Arbeit: Maultaschenpreis 2010

Unternehmer-Award für Hotelier

5. August 2010 | Ein Luxushotel, ein Mercedes-Händler und ein Pflegeheim gewannen vergangene Woche einen Konstanzer Maultaschenpreis. Doch so recht glücklich sind die Sieger nicht.


Der «Goldene Adler» in Konstanz gilt als gute Adresse. «Lassen Sie sich in unserem eleganten, familiär geführten Luxushotel verwöhnen», wirbt das Viersternehotel auf seiner Website. Verwöhnt werden jedoch nicht alle im Hotel – und so bekam es vergangene Woche Besuch von GewerkschafterInnen, die nach der Geschäftsleitung fragten und dem Seniorchef eine riesige Maultasche mit roter Schleife überreichten.

Die gefüllte Teigtasche soll an die fristlose Kündigung einer Altenpflegerin erinnern, die im Oktober 2009 von der Konstanzer Spitalstiftung entlassen worden war, weil sie ein paar Teigtaschen mitgenommen hatte, die später sowieso im Kübel gelandet wären. Das sei Diebstahl, begründete die Führung der städtischen Sozialeinrichtung den Rausschmiss, und die verantwortlichen Konstanzer Bürgermeister warfen der 58-Jährigen auch noch «Schlechtleistung» vor – obwohl die Frau siebzehn Jahre lang untadelig gearbeitet hatte, wie ein Arbeitsgericht später feststellte.

Nicht nur die Spitalstiftung schikaniert Beschäftigte. Auch andere Unternehmen und Behörden springen mit ihren Lohnabhängigen nach Belieben um. Da werden im Landkreis Konstanz GewerkschaftsaktivistInnen gemobbt, Belegschaften unter Druck gesetzt, Löhne gekürzt – und niemand erfährt davon. Um das zu ändern, gründeten lokale GewerkschafterInnen, Journalisten und LokalpolitikerInnen im Januar ein Komitee. Sie recherchierten, befragten Betroffene, wälzten Unterlagen und kamen auf die Idee, einen Preis für besonders beschäftigtenfeindliches Verhalten auszuloben. Negativpreise sind nichts Neues – seit Jahren schon werden in vielen Ländern etwa die Big-Brother-Awards verliehen. Neu an der Konstanzer Initiative war lediglich der Einfall, den Preis auf die Region zu begrenzen – und ihn dem Hauptgewinner persönlich zu überreichen.

Lange suchen mussten die InitiatorInnen nicht. Da gibt es beispielsweise die Pflegeheime Schloss Blumenfeld, die von einem Zweckverband betrieben werden, den drei Gemeinden gegründet hatten. Dieser Zweckverband kürzte im Sommer 2009 den 160 Beschäftigten die Arbeitszeit und die Löhne um zwanzig Prozent. Es gebe einen «Personalüberhang», argumentierten die Betreiber. Doch das Pflegepersonal hatte weiterhin alle Hände voll zu tun - und musste hundert Prozent und mehr arbeiten.

Bitte keine Diskussionen

Unbezahlte Arbeit verlangt auch das Autohaus Südstern Bölle AG, das seine 200 Beschäftigten in den Centern Singen und Konstanz bereits 2007 so unter Druck gesetzt hatte, dass sie zwei Jahre lang zwei Wochenstunden gratis arbeiteten. Als die Vereinbarung im Sommer 2009 auslief, verschickte die Geschäftsleitung ein Rundschreiben an alle Angestellten: Sie sollten sich gefälligst mit einer Verlängerung der Gratisleistung einverstanden erklären. Keine Verhandlungen mit dem Betriebsrat, keine Gespräche mit der zuständigen Gewerkschaft IG Metall - und bitte keine Diskussionen. Denn, so heisst es im Brief: «Die Zeiten für Geschenke jeglicher Art sind vorbei.» Aber wer schenkt da wem etwas?

Den Hauptpreis hatte jedoch das Tweer-Hotel «Goldener Adler» verdient, wie Margrit Zepf von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in ihrer Laudatio im Foyer des Hotels erläuterte. Sie rief dem verdutzten Seniorchef Werner Tweer, der den Preis entgegennahm, den Fall einer Angestellten in Erinnerung, die fristlos entlassen worden war. Die Servicefrau verdiente in der Stunde umgerechnet nur neun Franken brutto, hatte einen schlechteren Arbeitsvertrag nicht akzeptiert und sich an die Gewerkschaft gewandt. Die Gewerkschafterin berichtete auch von einer Beschäftigten, der ebenfalls fristlos gekündigt wurde, obwohl sie nur gefragt hatte, woher die vielen Sonn- und Feiertagszuschläge auf ihrer Gehaltsabrechnung kämen, wo sie doch sonntags nicht gearbeitet habe. Diese Zuschläge sind in Deutschland sozialversicherungsfrei und werden auf die Rente nicht angerechnet. Und dann erzählte Zepf auch noch die Geschichte eines Lehrlings, den die Hotelleitung trotz mehrfacher Nachfrage weder bei der zuständigen Kammer noch in der Berufsschule angemeldet hatte – und dessen Ausbildung damit wertlos war. Das Trinkgeld, das der Lehrling bei der Nachtarbeit an der Hotelbar bekam, musste er abliefern.

Kleine Drohungen

Der Preis, so Margrit Zepf am Ende ihrer Laudatio, habe auch den Zweck, dass «Sie darüber nachdenken, dass zu einem gut geführten Hotel auch zufriedene Mitarbeiter gehören». Lange nachgedacht hat die Geschäftsführung wohl nicht: Ihr Anwalt schickte dem Komitee eine «strafbewehrte Unterlassungserklärung» mit der Aufforderung, die Behauptungen zu unterlassen – also die Website www.konstanzer-maultaschen.de zu löschen. Die Anschuldigungen «stimmen definitiv nicht, wir können das belegen», sagte Christa Tweer von der Hotelleitung am Montag der WOZ und schob auch gleich noch eine Drohung nach: «Wenn Sie darüber berichten, gehen wir auch gegen Sie vor.» Das regionale Monopolblatt «Südkurier» konnte sie mit solchen Sprüchen offenbar einschüchtern – es berichtete mit keinem Wort über die Preisverleihung.

PS: Wenige Tage, nachdem die Schweizer Wochenzeitung WOZ diesen Text publizierte, veröffentlichte der «Südkurier» dann doch noch einen Beitrag. Und ein halbes Jahr später gab Tweer sein Hotel auf.(pw)