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Solifonds: Seit zwanzig Jahren weltweit tätig

Globalisierung von links

1. Mai 2003 | Manchmal machen ein paar Franken den Unterschied aus zwischen Sieg oder Niederlage, Gegenwehr oder Unterwerfung

Ein schwierigerer Job ist kaum vorstellbar in der Gewerkschaftsbewegung. Wie organisiert frau Putzhilfen, Köchinnen, Gärtner und Kindermädchen – also all jene Hausangestellten, die isoliert und fernab voneinander in Privathaushalten arbeiten, den Patrons schutzlos ausgeliefert sind, miserabel entlohnt werden und aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit jederzeit ersetzt werden können?

Ein schier unlösbares Unterfangen, vor dem die Gewerkschaften vieler Länder längst kapituliert haben. Anders in Südafrika – dort strotzt Myrtle Witboii nur so vor Optimismus. Seit sie und ihre Mitstreiterinnen vor knapp drei Jahren die südafrikanische Hausangestelltengewerkschaft SADSAWU gegründet haben, «bekommen die Hausarbeiterinnen erstmals die Anerkennung, die sie verdienen». Vor drei Jahren hatten die Haushaltshilfen keinerlei Rechte, der Lohn lag selten über 300 Rand im Monat (umgerechnet 55 Franken), von Arbeitslosengeld wagte niemand auch nur zu träumen.

Es war ein hartes Stück Arbeit, bis die Aktivistinnen dem Anliegen der Hausangestellten Gehör verschaffen konnten. Sie gingen von Haus zu Haus, sie verteilten an Bushaltestellen und vor Supermärkten Flugblätter, sie ketteten sich 2001 an die Pforte des südafrikanischen Parlaments, sie reisten – in ihrer Freizeit und auf eigene Kosten – in entlegene Gebiete, um mit Hausangestellten Kontakt aufzunehmen. Und sie hatten Erfolg. Aufgrund ihrer Kampagne verabschiedete das Parlament vor kurzem ein Gesetzespaket. Seither müssen die Patrons den Hausangestellten einen Mindestlohn von 800 Rand zahlen (150 Franken), sich an die Arbeitsgesetze halten und ab Anfang Mai sogar in die Arbeitslosenkasse einzahlen. Die SADSAWU-Mitgliederzahl stieg von 10.000 (im Jahre 2000) auf 25.000, «und sie wird weiter zunehmen», da ist sich Myrtle Witboii sicher.

Selbstbewusstsein aufbauen

Die ehemalige Hausgehilfin und jetzige SADSAWU-Generalsekretärin Witboii ist seit 1978 aktiv und hat schon mehrmals versucht, die Hausangestellten zu organisieren. Der vorletzte Versuch scheiterte an finanziellen Problemen. «Die Leute sind isoliert, kennen ihre Rechte nicht, haben kein Geld und haben Angst», sagt sie. Wie geht man auf sie zu? Wie kann frau sie erreichen und ein Selbstvertrauen aufbauen? Workshops kosten Geld, Flugblätter ebenfalls. «Am meisten unterstützt hat uns dabei der Solifonds», sagt sie, «dessen Hilfe war grossartig. Wir haben den Menschen in der Schweiz viel zu verdanken.» Ohne sie wären die südafrikanischen Hausangestellten nie so weit gekommen.

Ende April 1983 präsentierten der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB, die Sozialdemokratische Partei SP und das Arbeiterhilfswerk SAH der Öffentlichkeit einen «Solidaritätsfonds für den sozialen Befreiungskampf in der Dritten Welt», kurz Solifonds genannt. Mit diesem Fonds (an ihm beteiligten sich auch Hilfswerke, entwicklungspolitische Organisationen und Solidaritätskomitees als MitstifterInnen) sollte, wie es im Jahresbericht 1983 heisst, «ein Werkzeug» geschaffen werden, das geeignet ist, «den Kampf um die Erringung und Gewährleistung der Menschenrechte, insbesondere der politischen und gewerkschaftlichen Grundrechte in der ganzen Welt zu unterstützen sowie darüber in der Schweiz zu informieren».

Die Ziele waren hoch gesteckt, aber es gab ja auch damals schon viel zu tun. So unterstützte der Solifonds bereits im ersten Jahr zwei südafrikanische Gewerkschaften, die verfolgt wurden (es herrschte noch das Apartheid-Regime), half Bauarbeitern, die nach einem langen Arbeitskampf im Chile des Augusto Pinochet entlassen worden waren, stärkte den Streikfonds von KollegInnen in El Salvador und förderte das Bemühen von Opfern des argentinischen Militärregimes, per Strafverfahren das Schicksal von Verschwundenen zu klären. Rechtshilfe, die Förderung von Kampagnen, die Finanzierung von Konferenzkosten (etwa zur Beratung von Boykottmassnahmen gegen das Südafrika der Rassisten) dominierten auch in den folgenden neunzehn Jahren die Arbeit des Solifonds. Und natürlich die direkte Hilfe bei Arbeitskämpfen. So unterstützte er beispielsweise 1987 den langen (und schliesslich erfolgreichen) Lohnstreik türkischer LederarbeiterInnen, 1988 den Ausstand von südafrikanischem Hotelpersonal (ebenfalls erfolgreich), 1989 den Streik von peruanischen Minenarbeitern (nur teilweise erfolgreich).

Es gibt auch Niederlagen

Während in den achtziger Jahren Arbeitskämpfe und die lateinamerikanischen Verhältnisse die Arbeit prägten, rückten in den Neunzigern Kampagnen und der Kampf für Menschenrechte in den Vordergrund: die Landlosenbewegungen in Brasilien und Indien, die Arbeitsverhältnisse in den freien Exportzonen Südostasiens und Lateinamerikas, Frauenrechte in Algerien und Afghanistan.

Natürlich ging auch manches schief – kein Wunder bei vielen hundert Solidaritätsmassnahmen. Streiks endeten in Niederlagen, vereinzelt erwies sich ein gut klingendes Projekt als schöner Schein. «Manchmal stösst man auch auf überzogene Erwartungen», sagt Solifonds-Koordinator Urs Sekinger. So kam der Versuch, in Jakarta (Indonesien) eine Dockergewerkschaft aufzubauen, bis heute nicht so recht vom Fleck. «Wir können und wollen nur Anschubfinanzierungen für die kämpfenden Kolleginnen und Kollegen leisten», sagt Sekinger, «längerfristig muss eine Gewerkschaft fähig sein, ihre wesentlichen Kosten selber zu tragen, um nicht in finanzielle Abhängigkeit zu geraten.»

Allein im Jahre 2002 unterstützte der Solifonds 23 Aktionen und beteiligte sich gleich an mehreren Veranstaltungen. Mit den Aufgaben wuchsen auch die Einnahmen – von 218.000 Franken (1983) auf 746.000 (2002). Das Geld kommt von den StifterInnen (etwa den SAH-Beschäftigten, die ein Lohnprozent überweisen), von rund 450 Beitragsversprechenden, die dreimal im Jahr einen selber festgelegten Betrag auf Abruf einzahlen, und etwa 3000 SpenderInnen. Das sind viele, aber längst nicht genug.

Denn es gibt weiterhin viel zu tun, auch in Südafrika. «Wir müssen sicherstellen, dass die neuen Gesetze auch umgesetzt werden», sagt Myrtle Witboii. Ihr nächstes Ziel ist, all jene Hausangestellten zu organisieren, die für Regierungs- und Parlamentsmitglieder arbeiten. «Die meisten beschäftigen Hausarbeiterinnen und haben denen bisher unanständig niedrige Löhne gezahlt», sagt sie, «die sollen bloss nicht denken, dass für sie die neuen Gesetze nicht gelten.» Die SADSAWU wird die Regierung weiter unter Druck setzen müssen. «Noch haben wir kein Gesetz, das die Sicherheit an unseren Arbeitsplätzen regelt und uns bei Arbeitsunfällen Entschädigungen zuspricht. Aber das kriegen wir hin.» (pw)