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WOZ-Reise nach Nordirland
Vorwärts zum einigen Irland?
30. November 2023 | Hundert Jahre nach der Spaltung Irlands rückt die Wiedervereinigung allmählich an die Spitze auf die politischen Tagesordnung. Werden nun alte republikanische Träume wahr? Eine Reise gibt Aufschluss.
Kommt sie? Oder kommt sie nicht? Über hundert Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg und der Spaltung der irischen Insel 1921 könnte das in Sichtweite rücken, wonach sich der eine Teil der nordirischen Bevölkerung seit langem sehnt – und was der andere vehement ablehnt. Wofür eine Guerilla jahrzehntelang kämpfte, und was auf der andere Seite Paramilitärs samt der britischen Armee mit Macht zu verhindern suchten: die irische Wiedervereinigung.
Das kommt überraschend. Ein Vierteljahrhundert nach dem Abkommen von Karfreitag ist Nordirland weitgehend aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit entschwunden. War das international ausgehandelte und völkerrechtlich verankerte Friedensabkommen nicht einst als Lösung des langen Konflikts zwischen den beiden großen nordirischen Gemeinschaften gefeiert worden? Hatte es nicht die Bürgerrechte für alle festgeschrieben, die Diskriminierung beendet, zur Verständigung beitragen? Alles schien gut. Zwar hat seither die Zahl der Zäune, die als «Friedenslinie» Belfast durchziehen, zugenommen, zwar ist das Bildungssystem weiterhin nach Konfession geteilt – aber es herrschte Ruhe. Vorläufig jedenfalls.
Doch das könnte bald vorbei sein. Denn der Brexit, der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU, hat alte Gräben aufgerissen. Und die Frage aufgeworfen, wohin sich Nordirland entwickeln soll. Beim Referendum 2016 stimmte jedenfalls eine Mehrheit der nordirischen Bevölkerung für einen Verbleib in der EU und damit für eine offene Grenze zur Republik Irland. Die meisten Abstimmenden der pro-britischen und mehrheitlich protestantischen Gemeinschaft votierten hingegen für den Austritt und für das, was ihnen ohnehin am liebsten wäre – eine Abschottung gen Süden.
Nur ließ die EU das (mit Verweis auf das Karfreitagsabkommen) nicht zu. Und setzte durch, dass Nordirland handelspolitisch in der EU blieb. Seither verläuft die Warengrenze zwischen Nordirland und Britannien – ein Affront für die unionistisch-protestantische Seite. Und da bei der Regionalwahl im Mai 2022 auch noch die frühere IRA-Partei Sinn Féin die meisten Stimmen gewann, sie also das Anrecht auf den Vorsitz in der vom Karfreitagsabkommen vorgesehen Koalitionsregierung hätte, blockiert die protestantische DUP alle Absprachen.
Aber wie lange kann sie den Boykott aufrechterhalten? Der politische und demographische Wandel der letzten Jahrzehnte hat die Verhältnisse verschoben. Die einst solide unionistische Bevölkerungsmehrheit schrumpft zur Minderheit; der ehedem sozialpolitisch konservative Süden ist dank zahlreicher Reformen für viele kein Schreckgespenst mehr (sondern progressiver als der Norden). Und dann ist da noch die im Abkommen von 1998 festgehaltene Option auf ein Referendum über die Zugehörigkeit der sechs nordirischen Grafschaften: Es muss abgehalten werden, wenn sich eine Mehrheit für den Zusammenschluss mit Südirland abzeichnet.
Was also ist aus dem Verständigungsprozess geworden? Können die irisch-katholischen Nordir:innen die britisch-protestantische Gemeinschaft überzeugen? Lässt sich die Spaltung überwinden? Oder kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen wie während der «Troubles» (1969-98), die rund 3500 Tote forderten? Schließlich haben die pro-britischen Paramilitärs – im Unterschied zur IRA – ihre Waffen behalten.
Auf dieser WOZ-Reise im Juli 2024 erleben wir ein Nordirland jenseits der medialen Zuschreibungen von Gut und Böse: Wir begeben uns auf eine Exkursion durch die Geschichte, treffen auf alte Bürgerrechtsaktivist:innen wie Bernadette Devlin-McAliskey und Eamonn McCann, begegnen britisch-loyalistischen Exparamilitärs, wandern mit ehemaligen IRA-Kämpfern durch das nordirisch-irische Grenzgebiet, spazieren durch Quartiere beider Gemeinschaften (in denen weiterhin Armut herrscht) und begreifen, was diesen Konflikt so kompliziert macht. Und wie er friedlich beendet werden könnte.
Nähere Infos zu dieser Reise finden Sie aus der Reise-Website der Schweizer Wochenzeitung WOZ. (pw)