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Indien: Doch noch ein Sieg für die Linke

Ein Triumph der Bescheidenheit

6. März 2013 | Im indischen Bundesstaat Tripura hat der ärmste Ministerpräsident des Landes einen glänzenden Wahlsieg hingelegt.

Text: Joseph Keve, Übersetzung: Pit Wuhrer

Noch ist nicht alles verloren für die indische Linke. Nach den Wahlniederlagen der Kommunistischen Partei Indiens/Marxisten (CPIM) in Westbengalen und Kerala ist dem 64 Jahre alten Chefminister Manik Sarkar des indischen Bundesstaat Tripura ein beachtlicher Erfolg gelungen. Bei der Parlamentswahl Mitte Februar, deren Ergebnis am vergangenen Donnerstag bekannt gegeben wurde, hat die von ihm und der CPIM angeführte Linksfront fünfzig der sechzig Mandate gewonnen – und das bei einer Wahlbeteiligung von fast 94 Prozent. Damit entschied die Linksfront die fünfte Wahl in Folge für sich. Die Kongresspartei errang zehn Sitze, die in Indien sonst stark präsente hinduistisch-nationalistische Volkspartei hatte keine Chance.

Tripura liegt im indischen Nordosten und ist an drei Seiten von Bangladesh umschlossen; mit seinen 3,7 Millionen EinwohnerInnen ist das hügelige Land (anderthalb mal so gross wie Graubünden) einer der kleinsten Bundesstaaten Indiens. Bis zu Sarkars Amtsübernahme 1998 kam das von BengalInnen und Stammesvölkern besiedelte, agrarisch geprägte Tripura vor allem durch interne Konflikte, gewaltsame Auseinandersetzungen und Entführungen in die Schlagzeilen. Doch dann änderte sich vieles. Sarkar gelang es, die diversen paramilitärischen Kräfte unter Kontrolle zu bringen und Rechtssicherheit durchzusetzen; anders als im Rest des indischen Nordostens sind Menschenrechtsverletzungen selten. Ausserdem setzte seine Regierung stark auf die Förderung kleinbäuerlicher Strukturen und das Bildungswesen – Tripura hat eine der höchsten Alphabetisierungsquoten Indiens.

Entscheidend für den hohen CPIM-Wahlsieg war jedoch die Persönlichkeit des Chefministers, der auch im nationalen Politbüro der Partei sitzt. Jedenfalls erklärte Tapas Dey, Spitzenkandidat der oppositionellen Kongresspartei, damit die Niederlage seines Wahlbündnisses: «Manik Sarkars spartanischer Lebensstil, seine Ernsthaftigkeit, sein Engagement und seine aussergewöhnliche Ehrlichkeit sind das Markenzeichen der Linksfront». Während anderswo in Indien – so jedenfalls die landläufige Meinung – Wahlen vor allem durch den Einsatz möglichst hoher Geldsummen entschieden werden, begann Sarkar seinen Wahlkampf mit 1080 Rupien in der Tasche (umgerechnet 15.10 Euro) – und legte gegenüber der Wahlkommission auch sonst alles offen: Sein Sparguthaben (9720.38 Rupien, etwa 136 Euro), den Pensionsanspruch seiner Frau, die Grösse seines von der Mutter geerbten Hauses (Wohnfläche: vierzig Quadratmeter).

Wie viel er als Chefminister verdient, wissen ohnehin alle: 9200 Rupien im Monat, rund 129 Euro. Ebenso bekannt ist, dass er sein Gehalt samt Zulagen der Partei spendet – und von der CPIM dafür eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 5000 Rupien bekommt. Das unterscheidet den ärmsten Chefminister des Landes von vielen anderen PolitikerInnen – etwa der langjährigen Chefministerin von Uttar Pradesh, Mayawati. Aus der selbsternannten Verteidigerin der Dalits, der «Unberührbaren», wurde im Laufe ihrer Amtszeit eine der reichsten Frauen Indiens.