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Zeitschriftenkritik: «Lunapark 21»

Eine Kirmes der ökonomischen Vernunft

22. August 2012 | Seit bald fünf Jahren erscheint vierteljährlich das linke Wirtschaftsmagazin «Lunapark 21». Es zeigt ökonomische, politische und soziale Zusammenhänge auf und sorgt für viele Aha-Erlebnisse.


Titelblatt «Lunapark 21», Sommer 2012Die Welt ist zu einem Rummelplatz «derer geworden, die haben», zu einem «globalen Lunapark» mit grossem Vergnügen («auf wessen Kosten?»), mit glitzernden Verkaufsmeilen («wer kann da noch kaufen?»), mit Feuerwerk («wer bezahlt, was da funkelt?»), mit Militärparaden, Privatisierungen und sinkenden Löhnen. So erläuterte der Schauspieler und Gewerkschafter Rolf Becker in der allerersten Ausgabe den für ein Wirtschaftsmagazin ungewöhnlichen Namen «Lunapark 21» (LP21). Das war vor fast fünf Jahren. Inzwischen die Welt ist noch toller geworden. Wer versteht, was da abgeht?

Seit Anfang 2008 gibt eine Gruppe linker JournalistInnen und ÖkonomInnen vierteljährlich LP21 herausgibt, die «Zeitschrift zur Kritik der globalen Ökonomie», um Abhilfe zu schaffen und konkrete Zusammenhänge zu benennen: Es ist ein bunter Haufen, der sich da zusammen getan hat. Die politische Spannbreite reicht vom linkskeynesianistischen Analysen bis zu anarchosyndikalistischen Positionen, die Ansichten der AutorInnen (darunter die WOZ-Mitarbeiter Winfried Wolf und Tomasz Konicz) decken sich nicht in allen Punkten: Hätte man die Banken zusammenkrachen lassen sollen? Oder war es richtig, sie zu retten? Die BlattmacherInnen belehren nicht, sie informieren – mit profunden Texten (die uns LeserInnen regelmässig ein Aha-Erlebnis verschaffen) und aussagekräftigen Grafiken, verpackt in ein ansprechendes Layout.

Die Nummern – bisher sind achtzehn Ausgaben mit jeweils 74 Seiten erschienen – beschäftigten sich jeweils mit einem Hauptthema (Klima, Fukushima, Migration, Öl, die neuen Wirtschaftsmächte Indien und China, das Reicherwerden der Reichen, Kriegsgeschäfte oder – zuletzt – die Jagd nach Rohstoffen). Dazu kommen aktuelle Berichte zur Eurokrise, zum Fiskalpakt, zur Armut in Griechenland, zu Feminismus und Ökonomie, zu wirtschaftlichen Entwicklungen, sozialen Bewegungen, politischen Alternativen. Erhellend und überaus lesenswert sind Kolumnen wie Georg Fülberths «Seziertisch» oder die «Quartalslüge», die faktenreich und themenbezogen die gängigsten Klischees widerlegt (der Rüstungsexport schafft Arbeitsplätze, die offiziellen Arbeitslosenzahlen stimmen, der Grieche ist faul), die Rubrik «LunArt» mit ihren Porträts engagierter KünstlerInnen – und natürlich die Extraausgaben, die jeweils in Kooperation mit Gewerkschaften und Bürgerinitiativen entstehen. Das letzte LP21-Extra von Anfang 2012 beschreibt zum Beispiel, wie es zum Kollaps der Berliner S-Bahn kam: Niemand hat bisher dieses verkehrspolitisch brisante Thema so kenntnisreich analysiert.

Vielleicht am meisten verblüfft, dass LP21 so lange überlebt hat. Die RedaktorInnen (auch Chefredaktor Wolf) und fast alle AutorInnen – darunter erfahrene Journalisten wie Lucas Zeise von der «Financial Times Deutschland», Daniel Behruzi von der «Jungen Welt» oder der Buchautor Karl Heinz Roth – arbeiten ehrenamtlich. Es gibt weder ein Büro noch ein Redaktionstelefon, die Einkünfte decken gerade mal die Druck- und Vertriebskosten und das Budget reicht nur für die Bezahlung von etwa vier Beiträgen pro Ausgabe. Es steckt also jede Menge Gratisarbeit in LP21 – denn die Auflage ist noch niedrig: 3000 Exemplare insgesamt, davon gehen rund 1500 an AbonnentInnen (darunter 150 in Österreich). Aber immerhin schreibt der kleine Verlag, der extra für das Blatt entstanden ist, laut Auskunft von Winfried Wolf «seit zwei Jahren eine dünne schwarze Null».

Warum ist das so? Warum greifen nicht mehr Menschen zu einer Zeitschrift, die Hintergründe zu den grossen Themen dieser Zeit liefert? Müsste sich die LP21-Redaktion nicht auch einmal damit auseinandersetzen? Nun, sie hat es vor: Die kommende Nummer widmet sich dem Thema Macht und Medien. (pw)


www.lunapark21.net