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Andere Länder: WOZ-Reisen 2016
Vorarlberg, Marseille, Nordirland
6. Februar 2016 | In diesem Jahr bietet die Schweizer Wochenzeitung WOZ erneut Polit- und Geschichtsreisen mit vielen ZeitzeugInnen, Stadtrundgängen und spannenden Begegnungen an.
5. bis 7. Mai 2016: Das unbekannte Vorarlberg
Man weiss so manches über Vorarlberg, das österreichische Bundesland jenseits des St. Galler Rheintals. Knapp 380.000 EinwohnerInnen auf einem Gebiet so gross wie das Tessin, überwiegend katholisch, alemannischer Dialekt, leistungsfähige Industrie, politisch konservativ bis reaktionär. Wer ein bisschen googelt, bekommt auch heraus, dass sich im Mai 1919 bei einer Volksabstimmung 81 Prozent der VorarlbergerInnen für den Beitritt zur Eidgenossenschaft aussprachen. Dass es in Vorarlberg nach dem Anschluss 1938 (dann an Deutschland) die höchste Dichte an NSDAP-Mitgliedern in Österreich gab. Und dass in Hohenems eine einst wichtige jüdische Gemeinde existierte. Aber sonst?
Dabei ist Vorarlberg weitaus vielschichtiger (und bunter), als die politischen Mehrheitsverhältnisse im schwarz-grün regierten «Ländle» vermuten lassen. Das war früher schon so – als beispielsweise der Schriftsteller und Genossenschaftsgründer Franz Michael Felder (1839–1869) die von Schweizer Patrons ausgebeuteten HeimwerkerInnen aufwiegelte.
Widerspruch gibt es auch heutzutage. Vom unerschrockenen Richter Alfons Dürr zum Beispiel, der allen Widerständen zum Trotz die Nazivergangenheit nicht auf sich beruhen liess. Oder vom renommierten Wissenschaftler Hanno Loewy, der seit 2004 das Jüdische Museum von Hohenems leitet und sich von der FPÖ nichts gefallen lässt. Vom vielfältig engagierten Sozialarbeiter, Basispolitiker und Kulturmenschen Bernhard Amann, von den Initiativen, Kooperativen, Projekten, die andere Perspektiven bieten. Sie alle treffen wir bei unserem dreitägigen Ausflug. (pw)
21. bis 28. Mai 2016: Das widerspenstige Marseille
Kulturhauptstadt 2013, Fluchtpunkt zahlloser ExilantInnen, wichtigster Hafen, ärmste Grossstadt des Landes mit einem Migrationsanteil von vierzig Prozent – kaum irgendwo sonst in Frankreich treffen die gesellschaftlichen und politischen Widersprüche so heftig aufeinander wie in Marseille. Und nirgendwo laufen so viele Fäden der französischen Geschichte zusammen und wieder auseinander. Auf der einen Seite der Reichtum der ehemaligen Handelsbourgeoisie, auf der anderen das Elend der MigrantInnen.
Von hier aus zog im Jahr 1792 ein kleines rebellisches Bataillon los, um die Pariser RevolutionärInnen zu unterstützen, und sang dabei ein Lied, das später als «Marseillaise» bekannt wurde. Hierher flüchteten später Verfolgte aus dem faschistischen Italien, aus dem franquistischen Spanien und aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Hier suchten Menschen aus den französischen Kolonien Zuflucht. Und der Zustrom hält weiter an. Wie war das damals – und wie erfahren die BewohnerInnen dieser kosmopolitischen Stadt den zunehmenden Rassismus? Welche Ideen haben sie für eine politisch sinnvolle und praktikable Gegenwehr?
Auf dieser WOZ-Reise begegnen Sie Menschen, die sich mit den aktuellen Problemen der Migration und der MigrantInnen heute beschäftigen. Sie treffen AktivistInnen, die Flüchtlingen helfen. Sie erfahren von HistorikerInnen, was während des Zweiten Weltkriegs passierte. Sie debattieren mit Engagierten, die sich islamistischem Terror und Antisemitismus, aber auch antimuslimischen Haltungen widersetzen – und sich gegen die Zerstörung ihrer Quartiere wehren. Stadtspaziergänge, Wanderungen und Ausflüge in die Kulturgeschichte gehören natürlich ebenfalls zum Programm. (Sabine Herold)
16. bis 23. Juli 2016: Das unruhige Nordirland
In diesem Jahr erinnern unzählige Gedenkveranstaltungen an den Osteraufstand 1916, das vielleicht wichtigste Ereignis der irischen Geschichte. Hundert Jahre nach der Rebellion ist Irland immer noch weit entfernt vom einigen, unabhängigen und sozialen Land, das die damaligen RevolutionärInnen anstrebten: Die Insel ist geteilt in einen britischen Nordosten, der nicht zur Ruhe kommt, während in der Republik viele unter den Folgen der Finanzmarkt- und Immobilienkrise ächzen, die sie in die alten armseligen Verhältnisse zurückkatapultierte.
Wie kam es zu diesen Entwicklungen? Wessen Interessen und welche gesellschaftlichen Kräfte haben dafür gesorgt, dass in Nordirland eine Zweiklassengesellschaft mit einem protestantischen Einparteienstaat entstehen konnte, der die katholische Minderheit unterdrückte und die Bürgerrechtsbewegung der sechziger Jahre niederschlug? Warum dauerte der Bürgerkrieg, der daraufhin losbrach, bis in die neunziger Jahre hinein? Welche Rolle spielte Britannien dabei? Wo genau verläuft die Kluft im von Mauern durchzogenen Nordirland? Und was könnte zu einer dauerhaften Lösung führen?
Auf dieser WOZ-Reise erleben Sie ein Nordirland jenseits der medialen Zuschreibungen von Gut und Böse: Sie begeben sich auf eine Exkursion durch die Geschichte, treffen auf BürgerrechtsaktivistInnen wie Bernadette Devlin, begegnen probritisch-loyalistischen Exparamilitärs, hören von früheren IRA-Mitgliedern, weshalb sie zu den Waffen gegriffen haben – und erkunden Quartiere, in denen seit Jahrzehnten sozialer Sprengstoff liegt. Sie lassen sich auf einem Gang durch Dublin die wichtigsten Stationen des Osteraufstands zeigen, blicken von der Stadtmauer von Derry auf das jahrzehntelang umkämpfte Quartier Bogside, hören von einem früheren Offizier der britischen Armee, wie er den Krieg erlebte. Sie ziehen mit dem ehemaligen IRA-Mitglied Tommy McKearney durch das nordirisch-irische Grenzgebiet – und begreifen, was diesen Konflikt so kompliziert macht. (pw)