Freihandelsabkommen: Kosmetische Reformen

Die EU-Kommission auf Schmusekurs

27. April 2015 | Der Widerstand wird breiter – und so sucht die EU-Kommission einen Ausweg. Sie will die Front der FreihandelsgegnerInnen aufbrechen.


So breit und so international war schon lange keine Bewegung mehr. Am vorletzten Wochenende haben im ganzen EU-Raum, in Nordamerika und über ein Dutzend weiterer Staaten Zehntausende gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und Ceta protestiert: 750 Aktionen in 45 Ländern zählte die globalisierungskritische Bewegung attac. Die Transatlantische Handels- und Investitions-Partnerschaft TTIP zwischen den USA und der EU und das Umfassende Handelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada senken Sozial- und Umweltstandards, untergraben die Demokratie und stärken die Macht der internationalen Konzerne – so argumentieren jedenfalls die FreihandelskritikerInnen.

Und bekommen immer mehr Zulauf: Bisher haben europaweit über 1,7 Millionen EU-BürgerInnen die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative unterschrieben, die den sofortigen Stop der Verhandlungen verlangt.

Mittlerweile zeigt der Protest Wirkung. Nach übereinstimmenden Berichten des «Handelsblatts» und der «Süddeutschen Zeitung» wird TTIP nicht mehr zur Amtszeit von US-Präsident Barack Obama abgeschlossen werden. Zu gross ist der Widerstand der US-Gewerkschaften und des linken Flügels der Demokratischen Partei – und zu nahe liegt der US-Vorwahlkampf.

Besonders umstritten ist derzeit in den USA zwar das weitgehend ausverhandelte Abkommen Trans-Pacific Partnership TTP, das die US-Regierung mit Kanada, Australien, Neuseeland und einer Reihe asiatischer Staaten (darunter Japan) vereinbaren will. Doch die Opposition hat auch TTIP im Visier. Und so geht der EU-Chefunterhändler Ignacio Garcia Bercero inzwischen davon aus, dass die TTIP-Verhandlungen erst nach 2016 abgeschlossen werden können.

Zudem schlägt nun die EU-Kommission eine «Strategie der Besänftigung» ein. Sie will mit ihrer «Charmoffensive», so das «Handelsblatt» (das seiner Ausgabe am letzten Donnerstag den Titel «Erfolg für TTIP-Gegner» gab), einen «Keil in die Phalanx der Gegner treiben». Konkret vorgesehen sind Zugeständnisse bei der für Investitionsstreitigkeiten vorgesehenen privaten Gerichtsbarkeit. Die Verfahren sollen «transparenter», die RichterInnen «unabhängiger» werden.

Bisher waren, wie von den Geheimgesprächen nach aussen drang, hinter verschlossenen Türen agierende Schiedsstellen geplant, gegen deren Urteil keine Berufung eingelegt werden kann. Der Schmusekurs zielt vor allem auf die Basis der sozialdemokratischen Parteien ab, die TTIP (und Ceta) skeptisch gegenüber steht. Zu den Kritikern gehört auch Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses des EU-Parlaments: Er sieht für die Schiedsgerichte – so das «Handelsblatt» – «keine Notwendigkeit». Ob die neue EU-Offensive ihr Ziel erreicht, ist ungewiss. Denn der Grundsatz bleibt: Konzerne, die ihre Profitabilität durch Regierungsmassnahmen etwa im Umwelt- oder Beschäftigtenschutz beeinträchtigt sehen, sollen auch künftig Staaten auf Schadenersatz verklagen können.

PS: Mehr Informationen zu den Schiedsgerichten bei Investitionsstreitigkeiten bietet die Veranstaltung «Wie der Investitionsschutz unsere Zukunft verbaut». Am 12. Mai, 19.30 Uhr, im Kulturzentrum K9, Hieronymusgasse 3, Konstanz. (pw)