Kapital & Arbeit: Das Gute am Crash

Steinwürfe aus den Glashäusern

26. Februar 2009 | Mit etwas Druck von unten könnte die Krise auch die Steueroasen erledigen.


Nun hat sich also auch Gordon Brown zu Wort gemeldet: Er werde gegen alle Steuerschlupflöcher dieser Welt in den Kampf ziehen, versprach der britische Premierminister Mitte letzter Woche. Brown sprach nicht direkt von der Schweiz – aber alle wissen, wen er besonders im Blick hat. Immerhin hat er dafür gesorgt, dass die Schweiz am G20-Gipfel Anfang April in London nicht vertreten ist. Dort soll auch ein Massnahmenkatalog gegen Steueroasen diskutiert und beschlossen werden.

Natürlich hat Brown recht mit seiner Attacke. Er ist ja nicht der Erste, der in die Offensive wechselt. Durch die Finanzmarktkrise sind die Budgets vieler Staaten in eine gefährliche Schieflage geraten. Die Bankenrettungspakete und Konjunkturprogramme kosten viel Geld. In Britannien zum Beispiel könnte sich die Staatsschuld von 800 Milliarden Franken (2007) auf 3,6 Billionen vervierfachen, falls sich – was wahrscheinlich ist – die Papiere der bisher verstaatlichten Banken als wertlos herausstellen. In anderen Staaten sieht es nicht viel besser aus. Ausserdem belasten die rezessionsbedingten Steuerausfälle die öffentlichen Kassen.

Woher das Geld nehmen? Mittlerweile begreifen die StaatschefInnen, dass die Steueroasen trocken gelegt werden müssen. Über 180 britische Firmen haben derzeit ihren Sitz in der Schweiz, darunter renommierte Unternehmen wie der Chipsfrittierer Walkers, die Drogeriemarktkette Boots oder die Vermarktungszentrale von Shell. Dazu kommen zahllose individuelle SteuerbetrügerInnen.

Viele Finanzminister ahnen, dass die absehbaren Einschnitte unten (Sozialabbau, Lohnkürzungen, Steuererhöhungen) allein nicht ausreichen werden, um die Löcher zu stopfen. Zumal sich die Menschen nicht alles gefallen lassen. Anfang dieser Woche warnte die britische Polizei vor einem «Sommer des Zorns» mit Demonstrationen, die – wie manche Manifestationen in den achtziger Jahren – nicht mehr kontrollierbar sein könnten. Und so müssen die Regierungen zur Abwechslung vielleicht auch mal den Reichen in die Tasche greifen. War dies nicht ein Mittel von Franklin D. Roosevelt gewesen, der mit seinem heute allseits gefeierten New Deal in den dreissiger Jahren die Einkünfte des oberen Zehntels zeitweise bis zu über achtzig Prozent besteuerte?

Solche Vorhaben brauchen jedoch flankierende Massnahmen. Und nichts stoppt die Geldflucht besser als eine Beseitigung der Fluchtziele – zumal dies einen politischen Bonus eintragen könnte: Steueroasen wie die Schweiz schaden den Lohnabhängigen und Armen anderswo, weil sie für die entgangenen Steuermilliarden zahlen müssen. Schon deswegen wird der Druck rapide zunehmen.

Verbale Attacken wie die von Brown oder jene des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück kommen politisch gut an. Und doch fliegen da oft Steine aus Glashäusern. So residiert in der Zürcher Börsenstrasse die LB Swiss Privatbank – ein Geldhaus, das sich um die Fluchtgelder deutscher SteuerhinterzieherInnen kümmert. Es gehört je zur Hälfte der Landesbank Hessen-Thüringen und der Bayerischen Landesbank – also Finanzinstituten in öffentlicher Hand.

Auch Brown muss sich den Vorwurf einer doppelten Moral gefallen lassen. Fast ein Viertel der vom internationalen Tax Justice Network (taxjust.net) aufgelisteten Steueroasen sind ehemalige Kolonien des Britischen Empires oder britische Überseegebiete, unter ihnen viele Inseln in der Karibik (Anguilla, Antigua und Barbuda, Belize, Bermuda, Cayman Islands, Dominica et cetera). Die wichtigsten aber liegen direkt vor der Haustür. Shelter Offshore zum Beispiel, eine auf Geldflucht spezialisierte Firma, veröffentlichte im Dezember auf ihrer Website eine Liste der besten Steueroasen. An der Spitze, noch vor Monaco und Liechtenstein: Jersey, Guernsey und die Isle of Man.

Über diese Steuerrefugien hat sich Brown bisher nicht beklagt; er ist zu sehr mit der Hochfinanz der Londoner City verhängt und lässt sich von ihr beraten. Brown hat bisher auch nicht anordnen lassen, dass die Royal Bank of Scotland, die mittlerweile fast ganz dem Staat gehört, ihre Filialen auf den Kanalinseln schliesst. Und er hat nichts unternommen, um einen Vertrag zu revidieren, den er als Schatzkanzler einst befürwortete: 2002 wurden 600 Liegenschaften der britischen Steuerbehörde an einen Investor verkauft, der auf Guernsey sitzt und stolz darauf ist, keine Steuern zu zahlen.

Über den Misthaufen des Nachbarn lässt sich leichter schimpfen als über den Dreck im eigenen Haus. Und doch ist Browns Attacke richtig. Weil sie eine Kampagne stärkt, die die Steuerfluchtschurkerei beenden will. Das könnte sogar die Schweiz aus der Knechtschaft des Bankgeheimnisses befreien – und ihr Raum geben für politische Offensiven, beispielsweise gegen die britischen Steueroasen. Wer prügelt welchen Fluchtgeldstaat am heftigsten? Das wäre endlich mal ein Wettlauf in die richtige Richtung. (pw)