Britannien: Das Geschäft mit der Sicherheit

Der privatisierte Polizeistaat

13. März 2012 | Demnächst werden in manchen englischen Polizeiverwaltungen von Privatfirmen bezahlte ErmittlerInnen Dienst tun.

An der Registrierungs- und Informationskonferenz der Polizei von West Midlands herrschte am Dienstag grosses Gedränge. VertreterInnen von 64 privaten Sicherheitsfirmen bekundeten ihr Interesse an einem der lukrativen Verträge, die die zweitgrösste Polizibehörde Englands in den nächsten Monaten vergeben wird. Seit die britische Regierung ihre Pläne für eine Teilprivatisierung des staatlichen Gewaltmonopols bekannt gegeben hat, herrscht in der profitorientierten Sicherheitsindustrie Aufbruchstimmung. Denn die drastischen Haushaltskürzungen des konservativ-liberalen Kabinetts verschonen auch nicht die Polizei, die ein Fünftel ihrer Ausgaben kürzen muss. Und so gliedern derzeit die Polizeiverwaltungen von West Midlands und der Grafschaft Surrey zentrale hoheitliche Aufgaben aus, polizeiliche Ermittlungen und die Festnahme von Verdächtigen inklusive. Wert der momentan angebotenen Verträge: Umgerechnet 1,75 Milliarden Euro. Und das ist nur der Anfang.

Die wichtigsten Polizeichefs des Landes begrüssen die Massnahme. Auf diese Weise könne man teure Einsätze auslagern und bei Bedarf externe ExpertInnen einkaufen, argumentieren sie. Wie das in der Praxis funktioniert, demonstriert derzeit das britische Unternehmen G4S in der Grafschaft Lincolnshire. Der mit 600000 Beschäftigten weltweit grösste Sicherheitskonzern betreibt fünf britische Gefängnisse und ist auf vielen Flughäfen von Heathrow bis Bagdad für die Kontrollen zuständig. In Lincolnshire hat er Mitte Februar eine Reihe von Polizeiwachen und die Hälfte des Polizeipersonals übernommen – zu niedrigeren Löhnen und schlechteren Bedingungen natürlich.

G4S ist auch für die Sicherheit während der Olympischen Spiele 2012 in London zuständig. Allein die Kontrolle dieses Grossereignisses kostet den Staat, der die Hilfe für Behinderte gestrichen hat und Kinderhorte schliesst, über 1,5 Milliarden Pfund. Vor­gesehen ist der Einsatz von 13 500 SoldatInnen (mehr als in Afghanistan), von Boden-Luft-Raketen, von unbemannten Drohnen, von einem Flugzeugträger auf der Themse, von Bodyscannern und noch mehr Überwachung in dem von Videokameras vollgestellten Land. G4S allein wird mindestens 13 000 Sicherheitskräfte einsetzen.

Die rechtlichen Grundlagen sind bereits verabschiedet und sollen nach den Spielen nicht ausser Kraft gesetzt werden. Sie legitimieren den Einsatz von privater und staatlicher Gewalt – um das zu verhindern, was die Behörden offenbar noch mehr fürchten als terroristische Anschläge im kriegführenden Britannien: zivil­gesellschaftlichen Widerstand à la Occupy. Jedenfalls geht die britische Polizei seit zwei Jahren, seit Beginn der Sozialkürzungen und der vielen Kundgebungen, überzogen hart gegen jede Art von Protest vor. (pw)