Konstanz: Mitgliederversammlung des Ortsvereins Medien

«Solidarität im 21. Jahrhundert»

16. März 2018 | Der ver.di-Ortsverein Medien im Landkreis Konstanz lädt ein zu einer Debatte über die Zukunft der Gewerkschaften: Wie können wir jenseits gut organisierter Betriebe die isolierten Lohnabhängigen erreichen?

Derzeit tut sich wieder was bei den Gewerkschaften. Im öffentlichen Dienst treten die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen immer wieder in Warnstreiks und zeigen auf Demonstrationen, dass sie für sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro, kämpfen wollen. Ihre Gewerkschaft ver.di hat auch die Belegschaften der Telekom zu Warnstreiks aufgerufen. Und bei den Tageszeitungen legten in den letzten Tagen JournalistInnen in Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg ebenfalls die Arbeit nieder – beispielsweise bei der «Stuttgarter Zeitung», der «Heilbronner Stimme», der «Esslinger Zeitung», dem «Schwarzwälder Boten» und der «Ludwigsburger Kreiszeitung».

Ihre Forderung: Erhöhung der Gehälter und Honorare um 4,5 Prozent, mindestens aber um 200 Euro, und das bei einjähriger Laufzeit. Nur beim «Südkurier» tut sich nichts – seit das Medienhaus aus der Tarifbindung ausgestiegen ist und die Redaktionsmitglieder nach Gutdünken entlohnt, gibt es in der Belegschaft kaum noch Zusammenhalt. Anders bei der «Augsburger Zeitung», dem Mutterhaus der Konstanzer Zeitung: Dort kam es Protesten.

Zeigen also die Gewerkschaften mal wieder, wozu sie gut sind? Manches deutet darauf hin. Nach Jahren des Mitgliederschwunds nimmt die Zahl der organisierten Beschäftigten wieder zu, jedenfalls in der IG Metall. In der Metall- und Elektroindustrie hatten sich vor kurzem 1,2 Millionen begeistert an Kampfaktionen für eine flexible Arbeitszeitverkürzung beteiligt; der Jenaer Soziologe und Gewerkschaftskenner Klaus Dörre sprach in einem Deutschlandfunk-Interview vor kurzem gar von einem «Revival der Gewerkschaftsgedankens»; und Aktionen wie jene der Initiative «aktion./.arbeitsunrecht» finden zunehmend Zuspruch.

KurierfahrerInnen wehren sich

Diese Basisinitiative für Demokratie in Wirtschaft und Betrieb veranstaltet zu jedem «Freitag, den 13.» Wettbewerbe, bei denen besonders beschäftigtenfeindliche Firmen prämiert werden. Für ihren nächsten Aktionstag Schwarzer Freitag am 13. April hat sie drei Unternehmen ausgewählt: die digitale Bestellplattform Deliveroo, deren KurierradlerInnen Lebensmittel ausfahren; das Security-Unternehmen I-SEC Deutsche Luftsicherheit, das rechtswidrig Betriebsratsmitglieder schikaniert; und die Fischhandelskette Nordsee, die mittlerweile zum Konzern des Steuerflüchtlings und AfD-Sponsoren Theo Müller («Müller-Milch») gehört, der Niedriglöhne zahlt und die betriebliche Interessenvertretung «mit kriminellen Methoden» (so «arbeitsunrecht») bekämpft.

Dass solche Firmen immer wieder zu haarsträubenden und rechtswidrigen Mitteln greifen, zeigt aber auch, dass sich die Beschäftigten längst nicht mehr alles gefallen lassen. Das illustrieren beispielsweise auch Reportagen in Tageszeitungen wie der «Süddeutschen».

Aber ändert sich dadurch Grundlegendes? Bei ihrer Tarifauseinandersetzung konnte die IG Metall zwar die gut organisierten Belegschaften mobilisieren, beim Ergebnis aber blieb die größte Gewerkschaft Europas deutlich unter ihren Möglichkeiten. Und die aktuellen Arbeitskämpfe von ver.di beschränken sich, so wichtig sie auch sind, auf das übliche Ritual bei Tarifkonflikten.

Union Busting und Neoliberalismus

Daran sind natürlich nicht nur die Gewerkschaften schuld. Der Neoliberalismus hat längst die Köpfe erobert: jede/r kämpft am besten für sich allein, der Markt wird's schon richten, gemeinschaftliche Gegenwehr schadet der Wirtschaft, der Rechtsstaat hat in den Betrieben nichts zu suchen … Also wenden sich immer mehr Firmen von den Tarifgemeinschaften ab, kürzen die Löhne, verschlechtern die Bedingungen oder greifen zu Methoden des Union Bustings, des offensiven und zumeist rechtswidrigen Vorgehens gegen Betriebsräte und Gewerkschaften.

Und dann ist da noch die im Zuge der rot-grünen Arbeitsmarktreformen sprunghaft angestiegene Prekarisierung vieler Arbeitsverhältnisse – mit all den ausgegliederten Schein- und Solo-Selbständigen, den LeiharbeiterInnen, den befristet Beschäftigten, den zahllosen TeilzeitarbeiterInnen mit ihren kargen Löhnen. Dazu erzeugt die Digitalisierung ständig neue Berufsfelder, in denen sich die Menschen abstrampeln – etwa die CrowdworkerInnen, die ein paar Cent pro Auftrag verdienen, dafür aber rund um die Uhr einsatzbereit sein müssen.

Wie wären diese isolierten Lohnabhängigen für eine gemeinsames Handeln zu gewinnen? Welche Strategien gibt es? Wie funktioniert die digitalisierte Arbeitswelt, welche Ansatz bietet sie? Dazu hat der Ortsverein Medien im Landkreis Konstanz Siegfried Heim eingeladen, den baden-württembergischen Landesleiter des ver.di-Fachbereichs Medien, Kunst und Industrie. Er spricht über «Solidarität im 21. Jahrhundert. Herausforderungen für die Gewerkschaftsarbeit im Zeitalter der neoliberalen Konkurrenzgesellschaft». Termin: Mittwoch, 21. März 2018, 19 Uhr. Ort: Gasthaus Löwen, Radolfzeller Str. 40, Konstanz-Wollmatingen. Vortrag und Diskussion finden im Rahmen einer Mitgliederversammlung statt. (pw)