Deutschland: Steuerhinterziehung und der Fall Schwarzer

Offene Fragen und zwei Erkenntnisse

4. Februar 2014 | Mit Alice Schwarzer ist nun ein weiterer prominenter Fall von Steuerbetrug an die Öffentlichkeit geraten. Viele Bundesländer bleiben aber weiterhin kulant.

Nach dem FC-Bayern-Manager Uli Hoeness, dem früheren Chefredaktor der «Zeit» Theo Sommer, dem Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) hat es nun also auch die Frontfrau des deutschen Feminismus erwischt. Über Jahrzehnte hinweg bunkerte die Bestsellerautorin, «Bild»-Kolumnistin und Millionärin Alice Schwarzer soviel Geld auf Schweizer Konten, dass sie im vergangenen Jahr, gelockt durch ein Amnestieversprechen, 200.000 Euro an Zinserträgen nachversteuerte.

Mal abgesehen davon, dass sich Schwarzer – im Unterschied zu Sommer und Schmitz – selbst anzeigte, damit straffrei bleibt und auch die Säumnisgebühr beglich, drängen sich mehrere Fragen auf: Wieso eigentlich glaubte sie, dass ihr Schuldeingeständnis der Öffentlichkeit verborgen bleibt? Weshalb sieht sie schon wieder ein Komplott am Werk? Woher hat sie soviel Geld? Ist es moralisch vertretbar, nur die Zinserträge der letzten zehn Jahre nachträglich zu versteuern (nicht aber die der vielen Jahre zuvor)? Und ziehen nun die TV-Sender die Konsequenz und reduzieren Schwarzers Talkrunden-Auftritte (was dem Fall eine positive Nebenwirkung bescheren würde)?

Fest steht aber zweierlei. Wenn es den politischen Willen – und eine grenzüberschreitende Koordination – gibt, müssen früher oder später auch Reiche ihre Steuerschuld begleichen. Und zweitens: Dieser politische Wille kann von unten erkämpft werden. Es ist nicht zuletzt dem beharrlichen Druck von Organisationen wie dem internationalen Tax Justice Network, Attac oder der Kampagnenplattform Campact zu verdanken, dass jetzt Mitglieder des Establishments in Erklärungsnöte geraten. Das gilt übrigens nicht nur für Deutschland: In Britannien stehen aufgrund der umtriebigen Flashmob-Initiative UK Uncut mittlerweile auch internationale Konzerne wie Amazon, Google oder der SBB-Partner Starbucks am Pranger.

Fragt sich bloss, wie weit der politische Wille reicht. Die deutschen Finanzbehörden haben die auf CDs gepressten Informationen über mögliche SteuerhinterzieherInnen bisher geschickt genutzt. Im vergangenen Jahr verdreifachte allein schon die Gefahr, ertappt und strafrechtlich belangt zu werden, die Zahl der Selbstanzeigen auf rund 25000. Anlässlich des medialen Hypes um Alice Schwarzer fordert nun die Regierungspartei SPD eine härtere Bestrafung von SteuerhinterzieherInnen. Eine populäre Forderung, die sich allerdings als Rohrkrepierer erweisen könnte.

Denn viele Bundesländer – die um InvestorInnen und Reiche buhlen – beschäftigen immer weniger SteuerfahnderInnen, und diese rücken auch noch seltener zu Betriebs- und Steuerprüfungen aus. Im CSU-Land Bayern und im grün-rot regierten Baden-Württemberg sanken beispielsweise deren Einsätze 2012 um bis zu einem Viertel. Und in Hessen hat vor einigen Jahren die damalige Landesregierung von Roland Koch (heute beim Baukonzern Bilfinger) vier engagierte SteuerprüferInnen kurzerhand und von Amts wegen für «paranoid» erklären lassen. (pw)