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Deutschland: Die Folgen von CETA und TiSA

Was droht den Kommunen?

02. Dezember 2016 | Das geplante Handelsabkommen CETA hat erhebliche Auswirkungen – auch auf die Gemeinden im westlichen Bodenseeraum. Was der kommunalen Demokratie droht, zeigt eine Veranstaltung des Konstanzer Bündnisses gegen die Freihandelsabkommen.

Glaubt man dem künftigen Präsidenten Donald Trump, dann werden sich die USA vom Freihandel verabschieden. Bisher richteten sich seine Äußerungen vorwiegend gegen das Abkommen Trans Pacific Partnership (TPP) mit asiatischen Staaten, das er nicht umsetzen will. Seine Politik könnte aber auch das Ende des geplanten Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership Vertrags TTIP (verhandelt zwischen der EU und den USA) bedeuten und das Dienstleistungsabkommen TiSA torpedieren, das von den USA, der EU, der Schweiz und anderen Staaten vorangetrieben wird. Doch kommt es so weit? Große Teile der US-Wirtschaft und die Führung seiner Republikanischen Partei halten an den Abkommen fest – die europäischen Unternehmerlobbys sind ohnehin dafür. Bisher haben sich in solchen Fragen fast immer die Kapitalinteressen durchgesetzt.

Unberührt von Trumps Absichten bleibt das Abkommen CETA, das die EU mit Kanada ausgehandelt hat. Es könnte – falls die TTIP-Gespräche ausgesetzt werden – sogar noch an Bedeutung gewinnen: Sollte CETA ratifiziert werden, können davon rund achtzig Prozent der US-amerikanischen Exportunternehmen profitieren: Die über 41.000 US-Firmen mit kanadischen Niederlassungen bekämen die Möglichkeit, über Kanada beispielsweise gentechnisch veränderte Lebensmittel in die EU einzuführen, Arbeitsstandards zu senken und Staaten zu verklagen, die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergreifen.

Auch deswegen haben jetzt über 450 europäische und kanadische Verbände, Gewerkschaften und Initiativen eine Protestresolution veröffentlicht und ihre Ablehnung bekräftigt. So seien die Zusatzerklärungen, die von der EU aufgrund des großen öffentlichen Drucks vor und nach der Unterzeichnung durch die EU-Kommission abgegeben wurden, keineswegs geeignet, die Gefahren zu bannen, die von CETA ausgehen. Die Kritik der zivilgesellschaftlichen Organisationen richtet sich dabei insbesondere gegen folgende Punkte:

● Das geplante Investitionsgerichtssystem ICS stattet InvestorInnen mit extrem wirksamen und durchsetzbaren Rechten aus, verpflichtet sie im Gegenzug jedoch zu nichts.

● CETA wird es Regierungen äußerst schwer machen, öffentliche Dienstleistungen bereitzustellen, auszuweiten und zu steuern. Und auch die Rücknahme gescheiterter Privatisierungen und Liberalisierung wird erheblich eingeschränkt.

● Durch CETA, so eine unabhängige Studie über die wirtschaftlichen Folgen, gehen in Kanada und Europa Arbeitsplätze verloren.

● Durch CETA steigt in der EU und in Kanada das Risiko von Finanzkrisen, da die Finanzmärkte stärker liberalisiert werden.

● Grundlegende Rechte wie das Recht auf Datenschutz und Privatsphäre werden eingeschränkt.

● Vorsorgemaßnahmen zum Schutz von VerbraucherInnen, der Gesundheit und der Umwelt können mit CETA angefochten werden unter dem Vorwand, sie seien zu "aufwändig", nicht "wissenschaftsbasiert" und versteckte Handelshemmnisse.

● Beiderseits des Atlantiks setzt CETA LandwirtInnen einem enormen Konkurrenzdruck aus. Es stärkt die Machtposition von Konzernen im Saatgutsektor und behindert die Förderung von lokal erzeugten Lebensmitteln.

Und dann sind da auch noch die Folgen für die Gemeinden. Wie groß die Sorge in den Kommunen und Regionen ist, hatte nicht nur der Widerstand von Wallonien und der Stadt Brüssel gezeigt, wo LokalpolitikerInnen sich klar gegen CETA positionieren. Er kommt auch in der europaweiten Bewegung Kommunen gegen TTIP, CETA und TiSAzum Ausdruck, der sich bisher 2110 Gemeinden angeschlossen haben – darunter auch Konstanz, Singen, Allensbach, Radolfzell und der Landkreis Konstanz.

Aber was bedeutet das genau? Was kommt auf die Beschäftigten zu? Verschwindet die kommunale Autonomie? Müssen nach einer Ratifizierung des europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA die Gemeinden Aufträge auch in Kanada ausschreiben? Und drohen Ortsverwaltungen künftig Klagen von internationalen Konzernen, wenn sie Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergreifen? Darüber spricht Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin des Vereins Mehr Demokratie e.V. in Stuttgart. Ihr Vortrag "Freihandelsabkommen TTIP, CETA, TiSA: Gefahr für die kommunale Demokratie?" findet statt am Dienstag, 6. Dezember, 19 Uhr, und zwar in den Räumen der Zeller Kultur, Fürstenbergstr. 7a, Radolfzell. Eintritt frei.

Weitere Informationen über den Widerstand gegen die geplanten Handelsabkommen stehen auf der Webseite des Konstanzer Bündnisses gegen TTIP, CETA und TiSA. Dort ist auch nachzulesen, dass der CETA-Vertrag noch viele Hürden überwinden muss. Und warum die Pläne von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sowie der konservativen und sozialdemokratischen Fraktion im Straßburger Parlament gescheitert sind; sie hatten vorgehabt, CETA möglichst rasch – schon kommende Woche – und ohne große Debatte vom EU-Parlament absegnen zu lassen. Abgestimmt wird nun doch erst Anfang Februar 2017. (pw)


PS: Wer von den EU-Abgeordneten wissen will, wie sie abstimmen werden, kann sie anschreiben – und zwar auf einfache Weise: Stop-TTIP-Organisationen wie attac und Mehr Demokratie e.V. haben dazu die Web-Kampagnenplattform CETA-Check entwickelt, mit der ein oder mehrere Abgeordnete zu ganz bestimmten, auswählbaren Punkten befragt werden können.