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Andere Länder: Nach den US-Wahlen

Trump und die Handelspolitik

9. November 2016 | Was bedeutet das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahl für TTIP? Und kann CETA noch gestoppt werden?

Noch ist nicht klar, welche Folgen das verheerende Wahlergebnis für die US-amerikanische Handelspolitik haben werden. Absehbar aber ist, dass der künftige US-Präsident Donald Trump (er amtiert ab Januar 2017) eine Kehrtwende vollziehen will – weg vom Freihandel, hin zu einer national orientierten Wirtschaftspolitik. Denn eines war auffällig: Bei seinen Auftritten hat er mal die eine, mal die andere Bevölkerungsgruppe attackiert – Frauen, Latinos, Schwule, MuslimInnen. Nur ein Thema kam in allen seinen Reden vor: die Folgen der Globalisierung für die US-amerikanische Arbeiterklasse und die Mittelschicht. Und dass es so nicht weiter gehen dürfe.

Trump versprach, das fertige (und unterschriebene) Transpazifische Handelsabkommen TTP nicht umzusetzen, das seit über zwanzig Jahren geltende Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA neu zu verhandeln – und die Gespräche über das europäisch-amerikanische Handels- und Investitionsschutzabkommen TTIP zu stoppen. Aber wird er das auch tatsächlich tun?

Laut US-Verfassung verfügt der Präsident über eine enorme Machtfülle, die in Trumps Fall besonders gross ist: Anders als beispielsweise Ronald Reagan oder der jetzige Präsident Barack Obama wird ihm der Kongress keine Steine in den Weg legen – im Abgeordnetenhaus haben die Republikaner ihre Mehrheit behalten. Trump verfügt nun politisch über erheblichen Einfluss. Aber hat er auch die ökonomische Macht? Diese liegt noch immer bei den grossen Konzernen und der Finanzindustrie der Wall Street – also jenem Establishment, das den überzeugenden Freihandelskritiker Bernie Sanders nicht wollte (obwohl dieser nach Meinung vieler BeobachterInnen Trump hätte schlagen können). Und in dessen Interessen Hillary Clinton zeitlebens gehandelt hatte. Dass sie sich zuletzt ebenfalls gegen den Freihandel aussprach, war vielfach als taktisches Manöver begriffen worden. Und wenig glaubhaft.

Hintertür CETA

Die Wirtschaft wird einer 180-Grad-Wende in der US-Aussenhandelspolitik jedenfalls kaum tatenlos zusehen. Wie anderswo kommt es auch in den USA nicht in erster Linie auf einzelne Personen an, wo immer sie auch sitzen. Das hat das Beispiel Obama gezeigt, der ausser seiner (unvollständigen) Gesundheitsreform kaum etwas durchsetzen konnte. Von daher sind TTP, TTIP und andere Abkommen noch lange nicht vom Tisch. Zumal es auch hier auf Feinheiten ankommt. Wer zum Beispiel wird Trump künftig beraten? Weiterhin die Lobbyorganisationen von Big Business? Kompetenzen hat der neue US-Präsident ja bisher keine erkennen lassen. Also wird er Rat suchen. Die Frage ist: bei wem.

Was bedeutet das nun für das europäisch-kanadische Abkommen CETA? Für die US-Wirtschaft ist CETA noch wichtiger geworden. Denn dieses Abkommen bietet achtzig Prozent der international agierenden US-Firmen eine Hintertür: Rund 41.000 US-Unternehmen haben eine Niederlassung in Kanada.

Aber ist CETA nicht schon durch? Das machen uns die meisten Medien seit Wochen weis – und liegen ebenso daneben wie bei der US-Wahlprognose. Zuerst hatten sie vor Spielverderbern gewarnt, die mutwillig «das beste Freihandelsabkommen der Welt» (so der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel) gefährden. Dann beklagte der Medienmainstream (von «Südkurier» über «Süddeutsche», FAZ bis hin zur ARD), dass einzelne Störenfriede das Image der EU «ruinieren» würden, dass eine kleine Region ganz Europa in "Geiselhaft" genommen hätte, dass die Europäische Union kurz vor dem Scheitern stehe. Und schliesslich feierten sie die Vertragsunterzeichnung, als sei CETA bereits unwiderruflich beschlossen.

Was war geschehen? Die beiden belgischen Regionen Wallonien und Brüssel hatten es abgelehnt, das geplante Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada einfach so hinzunehmen. Darüber müsse erst verhandelt werden, sagte der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette. Und hob in den Gesprächen mit der belgischen Zentralregierung die Gefahren hervor, die Millionen in Europa ebenfalls sehen:

● die drohende Absenkung von Verbraucherstandards (Beispiel: Gentechnik);

● die Aufweichung des in Europa geltenden Vorsorgeprinzips (wonach Produkte erst auf den Markt kommen dürfen, wenn sie nachgewiesenermassen unschädlich sind);

● und den sogenannten Investorenschutz, der es Grosskonzernen erlaubt, Staaten oder Regionen zu verklagen, wenn diese Verordnungen oder Gesetze zum Schutz der Bevölkerung erlassen (was ja auch der Deutsche Richterbund und fast alle JuristInnen-Vereinigungen ablehnen);

● die Risiken für die heimische Landwirtschaft (etwa durch die Einführung industriell hergestellter Agrargüter).

Erst nachdem sich Wallonien und die Grossregion Brüssel mit der belgischen Regierung darauf geeinigt hatten, dass wesentliche Änderungen am CETA-Vertrag vorgenommen werden müssen, flog Kanadas Premier Justin Trudeau zur feierlichen Unterzeichnung von CETA ein. Zur Unterzeichnung wohlgemerkt, nicht aber zur Verabschiedung. Denn für diese sind in demokratischen Staaten weiterhin die Parlamente zuständig, nicht die Regierungen. Das gilt auch für CETA: Nur wenn alle parlamentarischen Gremien in allen 28 EU-Staaten den Vertrag ratifizieren, ist er völkerrechtlich bindend.

CETA ist durch? Von wegen!

Die BefürworterInnen des Vertrags (Unternehmerverbände und neoliberal orientierte PolitikerInnen) müssen also noch viele Hürden überwinden:

● Zuerst muss noch das EU-Parlament zustimmen. Erst danach kann der Vertrag «vorläufig angewandt» werden. Und das auch nur teilweise.

● Danach entscheiden der Europäische Gerichtshof und das Bundesverfassungsgericht, ob CETA mit europäischen Recht und dem Grundgesetz vereinbar ist.

● In Österreich und den Niederlanden laufen derzeit Initiativen für einen Volksentscheid zu CETA.

● Auch in Deutschland gibt es ähnliche Volksbegehren: in Bayern und in Schleswig-Holstein. Mit ihnen will ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis die jeweilige Landesregierung zwingen, im Bundesrat gegen CETA zu votieren. Im Bundesrat, der bisher bei allen Handelsabkommen mit entschieden hat, kommt es auch auf die Grünen an: Da sie an der Mehrzahl der Landesregierungen beteiligt sind, könnten sie CETA stoppen.

● Dann sind da noch die Parlamente der anderen 27 EU-Mitgliedsstaaten. Lehnt auch nur eine Volksvertretung die Ratifizierung des Vertrags ab, ist CETA tot. Belgien zum Beispiel hat auf Druck der Teilregionen Wallonien und Brüssel klar gemacht, dass CETA nicht ratifizieren werde, wenn der Investorenschutz mit seinem Klagerecht für Konzerne im Vertrag bleibt.

● Und nicht zuletzt läuft in Kanada eine Klage gegen die Regierung, weil diese das Parlament nicht in die CETA-Verhandlungen einbezogen hat, die Rechte der Provinzen missachtet und mit dem Investorenschutz eine Paralleljustiz etablieren will.

Mit anderen Worten: Die Auseinandersetzungen um CETA haben erst begonnen. Und sie sind – siehe US-Wahl – noch wichtiger geworden. (pw)